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Zwischennutzungsfirmen

Kommerzielle Zwischennutzungen in Zürich: Auswirkungen und rechtliche Handlungsmöglichkeiten für Mieter:innen
Simona Brändli, Marina Girod, Niklas Gohm, Patrick Krüsi, Sophia Widmer, Juli 2024

Im Rahmen des Mastermoduls “Stadt auf Zeit” der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit Urban Equipe haben wir, eine 5er-Gruppe von Geographiestudent:innen, ein Forschungsprojekt zu kommerziellen Zwischennutzungsfirmen und deren Vorgehensweisen am Zürcher Mietmarkt durchgeführt. Mit kommerziellen Zwischennutzungsfirmen meinen wir Firmen, die durch das befristete Untervermieten von Wohnungen im Auftrag von Hauseigentümer:innen  Profit erwirtschaften. Die Gründe für die Einschaltung einer solchen Firma sind meistens geplante Umbauten, Abrisse oder Renovierungen. In diesen Situationen wollen Hauseigentümer:innen Leerstände und damit verbundene erwartete negative Effekte, wie zum Beispiel den Verlust von möglichen Gewinnen durch ausbleibende Mieteinnahmen oder Besetzungen vermeiden. Personen, die mit Zwischennutzungsfirmen einen Mietvertrag abschliessen, sind folglich nicht Hauptmieter:innen, sondern Untermieter:innen, da das Hauptmietverhältnis zwischen den Firmen und den Hauseigentümer:innen besteht. Das ist problematisch, da durch die Beendigung des Hauptmietvertrags zwischen den Zwischennutzungsfirmen und den Hauseigentümer:innen, jeweils automatisch auch die Untermietverträge beendet werden. Die Untermieter:innen haben so keine Chance, sich gegen die Kündigung des Hauptmietvertrags zu wehren. Durch diese rechtliche Hinabsetzung der Mieter:innen wird ihr Mietschutz geschwächt. Doch die Gesetzesartikel lassen Raum für verschiedene Interpretationen zu. Basierend auf dieser noch wenig erforschten Problematik adressiert unsere Forschung die folgende Frage:
"Welche Auswirkungen haben verschiedene Interpretationen der Regulierungen auf die Situation der Mieter:innen in der aktuellen Wohnungskrise in Zürich?"

Um unsere Forschungsfragen beantworten zu können, führten wir eine umfangreiche Recherche durch. Wir analysierten die bestehenden Gesetze und Regulierungen für Zwischennutzungen im Mietrecht und führten Interviews mit Expert:innen durch. In diesen Interviews sprachen wir mit drei Personen, die durch ihre Arbeit als Anwält:innen oder beim Mieter:innenverband oder durch ihre Tätigkeit in der Politik Erfahrung mit Konflikten im Bereich der Zwischennutzungen haben.

Zwischennutzungen werden als alternative Wohnform in Zeiten zunehmender Wohnungsknappheit und steigender Mietpreise in Zürich immer häufiger. In Zürich gibt es diverse Organisationen, etwa die Studentische Wohngenossenschaft Zürich (WOKO) oder das Jugendwohnnetz (JUWO), die Zwischennutzungen von Wohnungen zu günstigen Preisen anbieten. Sie sind nicht gewinnorientiert. In der aktuellen Wohnungskrise profitieren vor allem gewinnorientierte Zwischennutzungsfirmen und das auf Kosten der Mieter:innen, die über ihre eigenen Rechte vielfach keine Kenntnis haben.  Dabei verschärfen sie mit ihrem Handeln die Wohnkrise weiter. Was verbirgt sich hinter diesen kommerziellen Zwischennutzungsfirmen und welche Herausforderungen und Risiken entstehen für Mieter:innen dieser Firmen? Ziel dieses Blogposts ist es, potenzielle und aktuelle Betroffene für die Problematiken in der Zwischennutzung zu sensibilisieren und ihnen Informationen und Kontakte mitzugeben, damit sie erkennen können, falls ihr Mietrecht von solchen Firmen verletzt wird, zum Beispiel durch zu hohe Mietzinsen oder unrechtmässige Kündigungen, und ihre Rechte einfordern können.

Doch zuerst: Was sind eigentlich kommerzielle Zwischennutzungsfirmen und wie gehen sie vor?

Kommerzielle Zwischennutzungsfirmen sind Unternehmen, wie beispielsweise Projekt Interim, Intermezzo oder Novac Solutions, die leerstehende Immobilien temporär an Mieter:innen untervermieten. Wie bereits erwähnt, ist die Zwischennutzung als Lösung gedacht, um leerstehende Gebäude zu nutzen, Besetzungen zu vermeiden und gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Kommerzielle Zwischennutzungsfirmen haben Zwischennutzungen in vielen Fällen zu einem profitorientierten Geschäft entwickelt. Für die Hauseigentümer:innen sind diese Firmen nützlich, da sie die Liegenschaften schnell räumen zu können, falls eine Baubewilligung genehmigt wird und mit den Bauarbeiten begonnen werden kann. Unsere Recherche zeigte auf, dass die Geschäftspraktiken kommerzieller Zwischennutzungsfirmen die Wohnkrise in Zürich zusätzlich verschärfen. Denn diese Firmen schlagen Profit aus der Notlage anderer. Zum einen verlangen sie unverhältnismässig hohe Mieten, die in keinem angemessenen Verhältnis zu den Konditionen stehen. Zudem bieten sie lediglich temporäre Lösungen an, für die jedoch überteuerte Preise verlangt werden. Anstatt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, treiben sie die Kosten für Mieter:innen, die verzweifelt auf der Suche nach günstigen Wohnungen sind, in die Höhe.

Viele Mieter:innen gehen aus Angst oder mangelnder Kenntnis der Rechtslage nicht gegen die Praktiken der Zwischennutzungsfirmen vor. Sie gehen davon aus, dass rechtlich schon alles geordnet geschiehen würde und wenn sich die Gelegenheit für eine günstige Wohnung bietet, möchten sie das nicht zu sehr hinterfragen. Hinzu kommt, dass es bislang keinen richtungsweisenden Präzedenzfall vor Gericht gab, an dem sich Betroffene orientieren könnten. Es gibt jedoch Handlungsmöglichkeiten. Die interviewten Expert:innen betonten vor allem zwei Vorgehensweisen - die Erstreckung des Mietverhältnisses und die Anfangsmietzinsanfechtung - als wirkungsvolle Mittel, um überhöhte Forderungen oder unangemessene Kündigungen anzufechten. Im Folgenden stellen wir beide Handlungsmöglichkeiten genauer vor.

Zum einen gilt die Anfangsmietzinsanfechtung (OR 270a) als besonders nützlich:

1 Der Mieter kann den Mietzins als missbräuchlich anfechten und die Herabsetzung auf den nächstmöglichen Kündigungstermin verlangen, wenn er Grund zur Annahme hat, dass der Vermieter wegen einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen, vor allem wegen einer Kostensenkung, einen nach den Artikeln 269 und 269a übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt.


2 Der Mieter muss das Herabsetzungsbegehren schriftlich beim Vermieter stellen; dieser muss innert 30 Tagen Stellung nehmen. Entspricht der Vermieter dem Begehren nicht oder nur teilweise oder antwortet er nicht fristgemäss, so kann der Mieter innert 30 Tagen die Schlichtungsbehörde anrufen.


3 Absatz 2 ist nicht anwendbar, wenn der Mieter gleichzeitig mit der Anfechtung einer Mietzinserhöhung ein Herabsetzungsbegehren stellt.

Das heisst: neue Mieter:innen können bei der Übernahme des Objektes den Mietzins anfechten. Dies ist möglich durch einen Vergleich mit dem vorherigen Mietzins. Die Vermieter:innenschaft (die Zwischennutzungsfirmen) liegt in der Pflicht, neue Mieter:innen über den alten Mietzins aufzuklären. Falls Mieter:innen den Verdacht haben, dass der neue Mietzins zu hoch angesetzt ist, können sie diesen innerhalb von 30 Tagen anfechten. Obwohl es Vermieter:innen gibt, die den Anfangsmietzins nicht von sich aus kommunizieren, haben Mieter:innen ein Recht darauf, diesen zu erfahren. Unsere Expert:innen sind der Meinung, dass bei den Mietverträgen, die die kommerziellen Zwischennutzungsfirmen ausstellen, der neue Mietzins vielfach zu hoch ist und Mietzinsanfechtung folglich erfolgreich ist. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass man nach einer erfolgreichen Anfangsmietzinsanfechtung eine dreijährige Kündigungssperrfrist hat. Dies bedeutet, dass der Mietvertrag für die nächsten drei Jahre von der Vermieter:innenschaft nicht gekündigt werden kann. Um zu überprüfen, ob eine Anfangsmietzinsanfechtung gerechtfertigt ist, kann man den kostenlosen Mietzinsrechner des Mieterinnen- und Mieterverbands nutzen. Wenn man einen Vertrag mit einer Zwischennutzungsfirma abgeschlossen hat, ist es in jedem Fall empfehlenswert, den Anfangsmietzins zu vergleichen und sich bei Verdacht auf Missbrauch des Mietrechts beraten zu lassen, und den Mietzins bei Bedarf anzufechten.

Zum anderen besteht in einem befristeten Mietverhältnis mit einer Zwischennutzungsfirma die Möglichkeit einer Erstreckung des Mietverhältnisses (OR 273):

1 Will eine Partei die Kündigung anfechten, so muss sie das Begehren innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung der Schlichtungsbehörde einreichen.


2 Will der Mieter eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen, so muss er das Begehren der Schlichtungsbehörde einreichen:
  a. bei einem unbefristeten Mietverhältnis innert 30 Tagen nach Empfang der Kündigung;
  b. bei einem befristeten Mietverhältnis spätestens 60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer.

3 Das Begehren um eine zweite Erstreckung muss der Mieter der Schlichtungsbehörde spätestens 60 Tage vor Ablauf der ersten einreichen.


4 Das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde richtet sich nach der ZPO.


5 Weist die zuständige Behörde ein Begehren des Mieters betreffend Anfechtung der Kündigung ab, so prüft sie von Amtes wegen, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann.


Damit kann man als Mieter:in den vereinbarten Kündigungstermin anfechten und das Mietverhältnis verlängern. Auch hier ist es wichtig, dass der vorgesehene Zeitrahmen eingehalten wird. Spätestens 60 Tage vor Ablauf des Mietvertrages muss ein Erstreckungsgesuch eingereicht werden. Mietverträge lassen sich maximal vier Jahre verlängern. Dieses Vorgehen ist wesentlich komplexer, weshalb es sich in diesem Fall lohnt, frühzeitig mit der Schlichtungsbehörde, dem Mieter:innenverband und möglichen Anwält:innen in Kontakt zu treten. Werden eine Mietzinsanfechtung oder ein Fristerstreckungsgesuch zu spät eingereicht, sind sie nicht wirksam. Ein schnelles Handeln ist daher essenziell. Kostenlose Beratung erhalten Mieter:innen bei der Schlichtungsbehörde oder als Mitglied im Mieter:innenverband. Eine Rechtsschutzversicherung sorgt für eine finanzielle Absicherung, falls es zu einem Rechtsstreit kommen sollte. Der Mieterverband betont hierbei, dass ihre Mitglieder von einer Rechtsschutzversicherung profitieren.

Was kann die Politik tun, um kommerzielle Zwischennutzungen einzuschränken?

Zurzeit gibt es keine politischen Vorstösse zur Regulierung der Praktiken dieser Firmen. Die bürgerliche Mehrheit im Parlament bedingt, dass Interessen der Mieter:innen weniger stark vertreten sind als die der Hauseigentümer:innen. Für die Hauseigentümer:innen ist die Existenz der Zwischennutzungsfirmen von Vorteil. Um die Wohnungskrise abschwächen zu können, ist eine Regulierung der beschriebenen Vermietungspraktiken jedoch wichtig. Weitere Forschung im Bereich der Regulierungen von Zwischennutzungen ist dringend nötig. Eine Fragestellung für zukünftige Forschungsprojekte könnte zum Beispiel eine genauere Analyse der Regulierungen sein, die diese Firmen betreffen. Auch der Einsatz von Gebrauchsleihverträgen, eine Vorgehensweise, die kommerzielle Zwischennutzungsfirmen in der Vergangenheit angewandt haben, die aber laut unseren Expert:innen aktuell nicht von grosser Bedeutung ist, ist ein interessanter Aspekt, der weiter untersucht werden könnte.

▲ Abbildung 1: Die Liegenschaften Sihlquai 280 und 282, ein Beispiel für ein erfolgreiches Vorgehen gegen eine Zwischennutzungsfirma, aufgenommen am 13.06.2024 (Quelle: Marina Girod)

Mögliche Kontakte und Anlaufstellen für betroffene Mieter:innen: 

Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz (MV):
Nationaler Dachverband
Monbijoustrasse 61, 3007 Bern
Telefon: 031 301 90 50 
E-Mail: info@smv-asloca-asi.ch

Mieterinnen- und Mieterverband Deutschschweiz (MVD):
Dachverband der 13 Sektionen des Mieterinnen- und Mieterverbands in der Deutschschweiz
Bäckerstrasse 52, 8004 Zürich
Telefon: 043 243 40 40
E-Mail: info@mieterverband.ch 

Mieterinnen- und Mieterverband Zürich (MV Zürich):
Tellstrasse 31, 8021 Zürich
Telefon: 044 296 90 20
E-Mail: info@mvzh.ch


Schlichtungsbehörde Zürich:
Thurgauerstrasse 40, 8050 Zürich
Telefon: 058 111 70 30
E-Mail: info@schlichtungsbehoerde-glg-zh.ch

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