
Die Zukünfte der "Hüsli-Schweiz"
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Einfamilienhäuser stehen im Zentrum aktueller Debatten über den sozioökologischen Wandel in Städten. Diese Wohn- und Siedlungstypologie verkörpert zentrale Widersprüche gegenwärtiger Urbanisierungsprozesse. Einerseits wird sie als flächenintensiv und unvereinbar mit den Anforderungen einer nachhaltigen Verdichtung kritisiert. Andererseits ist sie auch tief in soziokulturellen Narrativen von Wohneigentum, Wohnstabilität, Zugehörigkeit und allgemeineren populären Vorstellungen von einem „guten Leben” verankert. Da Städte unter dem Druck stehen, sich zu verdichten, werden Einfamilienhaussiedlungen zu umkämpften Räumen, in denen konkurrierende Vorstellungen von Nachhaltigkeit, Lebensqualität und Stadtentwicklung aufeinandertreffen.
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Dieses Thema ist besonders relevant im Kanton Zürich, wo Verdichtungsmassnahmen zunehmend umstritten sind. Seit 2013 und der Revision des Raumplanungsgesetzes sind die Schweizer Gemeinden verpflichtet, die Zersiedelung einzudämmen und stattdessen die Entwicklung von Brachflächen zu fördern. Nach einem Jahrzehnt der Umsetzung stößt die Verdichtungspolitik jedoch aufgrund ihrer sozialen und räumlichen Folgen, z. B. Verdrängung, auf erheblichen Widerstand. In diesem Zusammenhang sehen sich Wohngebiete mit geringer Dichte, Hochburgen des individuellen Wohneigentums, nun mit Sanierungsdruck konfrontiert. Als Reaktion darauf mobilisieren ihre Bewohner eine Vielzahl von Argumenten, um die Bedingungen der Verdichtung zu verhandeln. Zusätzlich zu diesen Spannungen sind diese Räume mit einer soziodemografischen Herausforderung verbunden: Viele Einfamilienhäuser sind ältere Gebäude, die von Menschen bewohnt werden, deren Kinder bereits ausgezogen sind, und gelten daher als „unterausgelastete” Immobilien (z.B. größere Immobilien, in denen kleinere Haushalte leben). Wenn diese Immobilien an die nächste Generation weitergegeben werden, stellen sich Fragen nach ihrer zukünftigen Nutzung, Umgestaltung oder ihrem Verkauf, was im Zusammenhang mit der Verdichtung neue Möglichkeiten, aber auch neue Konflikte eröffnet. Diese Herausforderungen in Bezug auf Planung und Privateigentum sind hochaktuell. Im Kanton Zürich werden Gebiete mit geringer Bebauungsdichte somit zu einem zentralen Schauplatz von Auseinandersetzungen um nachhaltige städtische Zukünfte.
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Im Frühjahrssemester 2026 bietet sich Studierenden die einzigartige Gelegenheit, diese Themen im Rahmen eines städtebaulichen Forschungsprojekts zu untersuchen. In diesem Kurs setzen sich die Studierenden kritisch mit der Raumpolitik, den kulturellen Bedeutungen und den Herausforderungen der Governance von Einfamilienhäusern in verdichtenden Städten auseinander. Während des Kurses sammeln die Studierenden praktische Erfahrungen mit verschiedenen Methoden der Stadtforschung, darunter Interviews, Politikanalyse, Kartierung und Fotografie.
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Der Kurs wird im Rahmen des Masterstudiengangs Geographie der UZH (Modul GEO 422 Stadtgeographie: Forschung und Methoden) angeboten, steht aber auch anderen Sozial- und Stadtwissenschaftler:innen offen. Interessierte Studierende bewerben sich bitte bis zum 27. Januar 2026 über den Kurskatalog mit einer Motivationsschreiben (maximal 300 Wörter).